Trauer am Arbeitsplatz

Trauer endet nicht an der eigenen Haustür, wir nehmen die Gefühle überall hin mit, wenn wir ins Außen gehen. Ein Thema, welchem wir gerne mehr Beachtung schenken möchten ist, Trauer am Arbeitsplatz. Den folgenden Text hat uns ein Vater und Freund, aus unserer Trauergruppe zur Verfügung gestellt, um seine Erlebnisse dazu, hier sichtbar zu machen. Ein Beispiel, wie wir es allen Trauernden am Arbeitsplatz wünschen würden, jedoch mit dem Wissen, dass es oft mit großen Hürden verbunden ist und leider nicht immer gut gelingt. Christian Gach hingegen erfuhr an seinem Arbeitsplatz eine zugewandte, unterstützende Begleitung, nach dem Tod seines Sohnes Florian.

„Zurück“ am Arbeitsplatz – von Christian Gach

Ich möchte hier einen kleinen Einblick darüber geben, wie ich eine sehr vielfältige Unterstützung durch meinen Arbeitgeber, aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus meinem direkten Arbeitsumfeld erhielt. Ich war Kriminalbeamter im Bundeskriminalamt und bin mittlerweile in Pension. 

Nach dem Tod unseres Sohnes Florian war mir sehr schnell klar, dass ich nicht arbeitsfähig war. Anfangs wurde ich im 2-4 Wochen Rhythmus krank geschrieben. Neben dem Gefühl einer „allgemeinen Lähmung“ benötigte ich vor allem Zeit, der Trauer einen Raum zu geben und Zeit, um mir klar zu werden, was mit mir und meiner Familie überhaupt geschieht….

Die Unterstützung meiner Dienststelle und Kollegen war sehr vielschichtig. So wurden wir z. B. anfangs mit Lebensmitteln versorgt (mit dem Gebot es nicht abzulehnen, die Kosten würden notiert und ich könne dann bezahlen, wenn dieser „Service“ nicht mehr benötigt wird. Auch kamen zwei Kollegen alle 1-2 Wochen zu Besuch, einfach zum Reden, wir tranken Kaffee/Tee und gingen dann gemeinsam Mittagessen. 

Sehr wegweisend war ein Termin (ca. 2 Wochen nach dem Unfall von Florian) beim damaligen Amtsarzt im BKA. Dieser Termin diente eigentlich einer jährlichen Überprüfung der Leistungsfähigkeit nach einem früheren Burnout. Nachdem ich ihm die neue, akute Krise schilderte, hatten wir ein sehr eindrückliches Gespräch und er gab mir viele Anregungen, mich über verschiedene Hilfsangebote zu informieren (Psychotherapie, Gruppengespräche, Reha etc.). Dies führte mich dann zum Verein Trauernde Eltern und Kinder e. V. in Mainz. In diesem Gespräch sagte er aber auch: „Herr Gach, Ihre Arbeitsfähigkeit ist jetzt erst einmal nachrangig, zuerst müssen wir Sie und Ihre Familie alltagstauglich bekommen, erst danach können wir uns um Ihre Arbeitsfähigkeit Gedanken machen.“

Auch von Seiten des Sozialen Dienstes im BKA nahm man mit mir schnell Kontakt auf und bot mir und meiner Familie Hilfe an. Bereits in diesen ersten Telefonaten mit Gesprächsangeboten zum Umgang mit meinem Verlust und meiner Trauer wurde deutlich, dass ein solches Ereignis wie der Tod eines Kindes auch zu Veränderungen in der Persönlichkeit führt. Die Gesprächsangebote gingen auch dahin, mich für meine weitere berufliche Tätigkeit zu stärken. Ich wurde jedoch nie bedrängt oder direkt mit der Fragestellung konfrontiert, wann ich denn denke wieder arbeitsfähig zu sein. Ich erwähne dies, weil ein Bedrängen durch ständig wiederkehrende Nachfragen (in zu kurzen Abständen) zu einer Drucksituation führen kann und somit eine zusätzliche Belastung darstellen würde.

Von Zeit zu Zeit erschien ich persönlich im Büro, wenn ich Formulare ausfüllen musste bzw. sonst etwas zu erledigen hatte. Meine Anwesenheit war immer mit einer offenen Freude der Kolleginnen und Kollegen verbunden. Hier wurden viele offene und intensive Gespräche geführt und auch immer wieder gefragt, wie es meiner Frau und meiner Tochter ging. Die Verbindung riss also nie ab, man bekam aber auch einen Eindruck davon, wie verletzt und auch weiterhin verletzlich ich bin.

Auch mit meiner Referatsleiterin (direkte Vorgesetzte) führte ich viele intensive Gespräche. Ihr teilte ich ca. 2-3 Monate nach Florians Unfall mit, dass ich mir schon sicher sei, dass ich wieder arbeiten werde, ich könne nur nicht sagen wann. Darauf signalisierte sie mir, ich solle mir darüber jetzt keine Gedanken machen und mir die Zeit nehmen, die ich brauche.

Nach gut 1 1/2 Jahren begann ich eine Wiedereingliederung. Hierauf wurde ich vom Sozialen Dienst vorbereitet. Ein Satz ist mir hierbei noch gut in Erinnerung: „Herr Gach, es ist nicht die Arbeit oder die Anzahl der Vorgänge, auf die Sie vorbereitet werden müssen, es werden die Begegnungen (und damit auch Besprechungen) mit Kolleginnen und Kollegen sein, denn Sie sind nicht mehr der, der Sie früher einmal waren.“ Hier wurde auch noch einmal die bereits erwähnte Persönlichkeitsveränderung thematisiert. Die Wiedereingliederung müsse auch dazu dienen, sowohl mich als auch meine Vorgesetzten,  Kolleginnen und Kollegen darauf einzustellen, dass eine wesentliche Veränderung stattgefunden hat und ich sowohl physisch als auch psychisch nicht mehr so stark belastbar sein würde wie zuvor. 

Die Wiedereingliederung wurde sehr individuell ausgestaltet. Sie begann mit 2 mal wöchentlich 2 Stunden (mehr war zu diesem Zeitpunkt für mich nicht möglich) und meine Arbeitszeit wurde über einen Zeitraum von ca. 6 Monaten stufenweise bis zur Vollzeit erhöht. Mir wurde dies von Mitarbeitenden der Personalabteilung (die in einem sehr ausgedehnten Gespräch einen persönlichen Eindruck von meinem damaligen Zustand bekamen) ermöglicht. Nach der Wiedereingliederung war ich bei einer von mir geschätzten Leistungsfähigkeit von ca. 50-60% im Vergleich zu früher. Dies war natürlich ein Fakt, den ich mit meiner Referatsleiterin besprochen habe. Ihre Antwort darauf lautete: „Chris, ich bin froh, dass du wieder hier bist, und wenn ich dich auch nur einmal am Tag etwas fragen muss und du mich berätst, dann reicht mir das vollkommen. Für mich ist das Wichtigste, dich als Menschen wieder hier zu haben!“ Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in meinem Referat und meinem Team haben das mitgetragen und die entstandenen Defizite aufgefangen. Mir ist sehr bewusst, dass eine solch großartige Haltung nicht selbstverständlich ist! Hierzu gehörte auch, dass ich jeweils an Florians Geburtstag und seinem Todestag Urlaub nehmen konnte, da ich an diesen besonders schwierigen Tagen unmöglich arbeiten konnte. Und natürlich flossen auch manchmal Tränen, auch das wurde so angenommen. 

Wieder in Arbeit zu gelangen, kostete mich viel Energie, hat aber in der Folge zur Verbesserung meines Allgemeinzustands geführt. Die Menschen in meinem unmittelbaren beruflichen Umfeld haben sich nicht abgewendet, nicht weggeduckt, als unsere Welt zusammengebrochen war. Mit viel Geduld und Empathie, Nachsicht und Verständnis haben sie mich aufgefangen und mich mein Tempo gehen lassen. Das war sicher nicht immer einfach, aber so unglaublich wichtig, und dies hat letzten Endes ebenfalls zu einer Steigerung meiner Leistungsfähigkeit beigetragen. Das Wichtigste in diesem „Gesamtpaket“ ist, dass ich an meinem Arbeitsplatz immer zwei besondere Menschen hatte (meine Referatsleiterin und meinen Bürozimmerkollegen), mit denen ich zu jeder Zeit über alles sprechen konnte, die zu 100 Prozent zu mir standen und alles auffingen. Zu diesem Gesamtpaket gehört aber auch, dass deren Vorgesetzte dies mittrugen und von Seiten des BKA ein System (mit Sozialem Dienst, Personalabteilung,…) existiert, dessen  Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfühlsam und bereit sind, in einer solchen Situation individuelle Hilfen und Lösungen zu ermöglichen.

Ich erfuhr also eine Form der Wertschätzung und des Beistands, die außergewöhnlich und mit Sicherheit nicht überall selbstverständlich, aber gerade in der Situation des Verlusts eines Kindes so unglaublich wichtig und wertvoll ist!

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