von Sylvia und Andreas Hey
Angehörigen begegnen
Allzu oft gilt der Tod in unserer Gesellschaft als Tabu, das gepflegt und
immer wieder dankbar als Vorwand aufgegriffen wird, um das eigene Nicht- handeln zu entschuldigen. Dabei ist „ER“ – der Tod – doch ständig präsent und begegnet uns täglich, sei es nun im realen Kriegs- und Terrorgesche-
hen in der Welt oder fiktiv beim Krimiabend im Fernsehen. Stets weit weg, anonym und fremd. Persönlich reagieren muss man also, zum Glück, erst
einmal nicht.
Und dann, ebenso unerwartet wie unvorbereitet, ist man eben doch ganz persönlich und unmittelbar mit dem Tod konfrontiert. Sei es durch einen Todesfall in der Familie, im Freundeskreis, in der Nachbarschaft oder an der Arbeitsstelle. Dann ist die Hilflosigkeit im Umgang mit Tod und Trauer groß und oft gepaart mit der Angst vor unverhofften Kontakten und ersten Gesprächen mit den Trauernden. Für die sich nun stellende Frage: „Wie begegne ich den Angehörigen, die um eine Verstorbene oder einen Verstorbenen trauern?“, haben wir aus eigener Erfahrung heraus einige Antworten zusammengestellt, die dabei unterstützen und
ermutigen sollen, einen ersten wichtigen Schritt zu machen. Gehen Sie auf Trauernde zu! Trauer ist keine ansteckende Krankheit, der man aus dem Weg gehen muss.
Kondolieren Sie! Das geht zur Not auch ohne Worte: Ein Händedruck, eine Umarmung, eine Hand auf der Schul-ter, ein Kopfnicken, ein gemeinsames Weinen. Nehmen Sie Anteil am Verlust der Trauernden, zeigen Sie ihnen, dass sie in der schlimmsten Not nicht allein sind und andere die Trauer und den Verlust mit ihnen teilen. Dafür gibt es weder Wartefristen noch Karenztage. Beistand zählt ab der ersten Minute!
Wenn Ihnen die Worte für ein Gespräch noch fehlen, dann schreiben Sie. Besonders wertvoll für die Trauernden ist es, wenn Sie Persönliches aufschreiben. Gemeinsame Erlebnisse oder Gespräche
mit der oder dem Verstorbenen, Erinnerungen an das letzte Treffen oder eine Beschreibung dessen, was die oder der Verstorbene für Sie war. Für viele Trauernde sind die Trauerkarten, ist die Trauerpost, ein über Jahre gut gehüteter und in stillen Stunden oft hervorgeholter Schatz.
Für Trauernde sind ein direkter Kontakt und ein persönliches Gespräch durch nichts zu ersetzen. Um die Dringlichkeit eines Treffens klar und deutlich als Aufforderung zu formulieren:
Für Trauernde ist ein unmittelbarer Kontakt, ein persönliches Gespräch, durch nichts zu ersetzen. Um die Dringlichkeit eines Treffens klar und deutlich als Aufforderung zu formulieren:
Leisten Sie Beistand im besten Sinne des Wortes.
Stehen Sie Trauernden bei.
Dies ist sicher nicht banal und einfach. Man kann nur selten aktiv etwas tun. Es ist ein Aushalten dessen was nun ist. Halten Sie aus! Denn Trauer ist Emotion, braucht Raum und Zeit. Trauer ist Arbeit, braucht Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Trauer braucht Resonanz.
Mögen Sie die folgenden 15 Leitgedanken bei Ihren ersten Kontakten mit Trauernden unterstützen und für beide Seiten hilfreich sein.
15 Leitgedanken zum Umgang mit Trauernden
1. Sagen was ist: ein Mensch ist gestorben!
Reden Sie bei Ihrem ersten Treffen mit den Trauernden nicht über das Wetter. Small Talk ist hier nicht angebracht. Für die trauernden Angehörigen gibt es nur ein wichtiges und alles bestimmende Thema und das ist der Tod. Der Tod ist traurig und macht traurig. Unendlich traurig. Das dürfen Sie gerne auch so benennen.
2. Der erste Satz
Vermeiden Sie die Frage „Wie geht es Dir?“. Was sollen Trauernde darauf antworten? Wie kann es ihnen mit dem erlittenen Verlust gehen? Es ist gut Dich zu sehen“ oder „Ich bin dankbar, Dich zu treffen“.
3. Trauer und Tod nicht „kleinreden“
Lassen Sie den Trauernden die Traurigkeit und verzichten Sie auf Lebensweisheiten oder Floskeln. Gut gemeinte Ratschläge wie „das wird schon wieder“, „das Leben geht weiter“, oder „die Zeit heilt alle Wunden“ helfen nicht weiter. Der Verlust und die Trauer lassen sich nicht wegdiktieren oder wegtrösten. Tod und Trauer weben sich ein in alle Lebensbereiche, betreffen alle Ereignisse, überlagern jeden Gedanken.
Auch mit Lob sollten Sie sparsam umgehen. Sie kennen nicht den Kraftaufwand, mit dem die oder der Trauernde das „alles so tapfer und stark“ durchsteht. „Du bist so
stark“ kann auch als Aufforderung verstanden werden „nicht schwach zu sein“. Doch Trauer braucht ein Klima, in dem gestattet ist „zu sein“!
4. Nennen Sie Verstorbene beim Namen
Zu keiner Zeit werden Sie durch Ihr Einbeziehen und Ansprechen der verstorbenen
Person die Trauernden an deren Tod erinnern. Der Tod ist bei den Angehörigen stets präsent. Ein „Ich wollte das nicht ansprechen, um Dich nicht daran zu erinnern.“ ist
wie eine Ohrfeige. Beziehen Sie die oder den Verstorbenen mit ein, wo es sich an-
bietet. Wenn die Trauernden spüren, dass sie oder er „dabei sein darf“ und selbstverständlich mit einbezogen, mitgedacht und benannt wird, wo es sich ergibt, dann sind auch andere Themen und Gespräche außerhalb von Tod und Trauer möglich.
5. Falsches Schonen
Zu keiner Zeit werden Sie durch Ihr Einbeziehen und Ansprechen der verstorbenen
Person die Trauernden an deren Tod erinnern. Der Tod ist bei den Angehörigen stets präsent. Ein „Ich wollte das nicht ansprechen, um Dich nicht daran zu erinnern.“ ist wie eine Ohrfeige. Beziehen Sie die oder den Verstorbenen mit ein, wo es sich anbietet. Wenn die Trauernden spüren, dass sie oder er „dabei sein darf“ und selbstverständlich mit einbezogen, mitgedacht und benannt wird, wo es sich ergibt, dann sind auch andere Themen und Gespräche außerhalb von Tod und Trauer möglich.
6. Trauer hat kein Ablaufdatum
Es gibt keine Fristen, die enden. Auch kann man Trauer weder bewältigen noch
abarbeiten. Die oder der Verstorbene bleibt tot – für trauernde Angehörige ihr Leben lang. Tod heilt nicht. Nie. Die Sehnsucht bleibt. Gehen Trauergäste, Freunde und Bekannte nach einiger Zeit wieder in ihr altes Leben zurück wird es für Angehörige nach einer ersten, ebenso turbulenten wie aufwühlenden Zeit zwischen Todesnachricht und Trauerfeier, plötzlich sehr still. Meist wird erst dann richtig greifbar, dass da jemand fehlt.
7. Beistand leisten und die eigene Machtlosigkeit aushalten
Bleiben Sie an der Seite der Trauernden. Tod ist unumkehrbar – Sie müssen keine Lösungen finden! Akzeptieren Sie – so schwer es ist – dass Sie nichts tun können, außer Beistand zu leisten und Begleiterin oder Begleiter zu sein. Niemand kann Tote zurückholen, entstandene Lücken füllen oder fremdes Leben leben. Seien Sie da,
hören Sie mehr zu, statt selbst zu reden. Halten Sie Tränen aus. Stehen Sie bei.
8. Wohldosierte Eigeninitiative
Hilfe „nur“ anzubieten ist oft keine Hilfe. Kaum eine trauernde Person wird um konkrete Hilfe bitten. Handeln Sie – achtsam und nicht übergriffig – indem Sie z. B. für die Trauernden einen Topf Suppe kochen, einkaufen gehen, Wäsche waschen. Gehen Sie auf die Trauernden zu, denn hier ist die ganz praktische Hilfe durch kleine Gesten von Kümmerern willkommen. Es bleibt schwierig sich in den neuen Alltag, die neue Normalität einzufinden.
9. Gemeinsame Aktivitäten
Auch die Einladung zum gemeinsamen Spaziergang, die bei einem spontanen Besuch an der Haustür ausgesprochen wird, kann ein ganz praktischer Freundschaftsdienst sein. Lassen Sie sich durch gelegentlich ausgesprochene Absagen nicht entmutigen: wiederholen Sie die Einladung. Für gemeinsame Ausflüge sind stille
Wege besser geeignet als große Menschenansammlungen.
10. Der Alltag ist anstrengend und kraftraubend
Trauernde müssen mit ihren Kräften haushalten, denn die Trauer erfordert Energie und der neue Alltag gestaltet sich oft schwierig und anstrengend. Alles muss neu gedacht werden. Alles ist das erste Mal ohne die oder den Verstorbenen. Arbeiten, Wege, Gespräche, die für Sie belanglos erscheinen, können für Trauernde mit Erinne- rungen, Geschichten und Ereignissen prall gefüllt sein. Und auch wenn es Trauernden meist guttut, über Verstorbene zu sprechen: Vielleicht ist es für die Trauernden an diesem Tag schon das fünfte oder sechste Gespräch über den Tod. Und die Gedanken kreisen ohnehin ständig – gedankenfrei haben die Trauernden nie!
11. Denken Sie an Jahrestage
Es ist für Trauernde ein großer Trost, wenn Sie an die Jahrestage der oder des Verstorbenen denken, nicht nur im ersten Jahr, sondern auch in allen folgenden. Geburtstage sind ebenso wichtig wie Todestage.
12. Trauer nicht bewerten oder vergleichen
Es gibt ebenso viele unterschiedliche Arten von Trauer wie Wege, damit umzugehen. Trauer um einen Ehepartner unterscheidet sich von der um die Eltern, ist anders als die Trauer um Großeltern oder Geschwister und auch anders als die um ein Kind. Trauer ist individuell. Manche Trauernde verfallen der Arbeitswut, andere können nicht mehr arbeiten, manche werden still und grübeln, andere haben Gefühlsausbrüche – in der Trauer ist vieles möglich und fast alles erlaubt.
13. Trauer auf allen Wegen und zu allen Zeiten
Selbstverständlich gelten all diese Punkte nicht nur für und im privaten Umfeld, sondern auch für die Arbeitsstelle und das gesamte berufliche Umfeld. Die Trauer erfasst alle Bereiche, alle Tätigkeiten, alle Zeiten – und das lebenslänglich! Es gibt Tage, da erscheint die Trauer vielleicht milder. Und dann kommt ein Auto um die Kurve, ein Geruch irgendwo her, eine Melodie oder ganz einfach ein Gedanke – und der Absturz ist da. Gestehen Sie den Trauernden ihre Trauer zu, im privaten wie im beruflichen Umfeld.
14. Trauer und theoretisches Wissen
Die eigene Erfahrung mit dem Tod, die selbst erfahrene Trauer ist durch nichts anderes zu ersetzen. Das ausführlichste Studium von Büchern und das höchste Maß an Empathie ersetzt immer noch keine eigene Erfahrung. Daher sind Kontakte zu anderen Trauernden sehr wichtig und wertvoll.
15. Es ist nie zu spät für einen ersten Kontakt nach einem Trauerfall
Trauen Sie sich, mit Trauernden Kontakt aufzunehmen – auch wenn Sie es nicht gleich im Anschluss an den
Tod schaffen. Gehen Sie nicht davon aus, dass sich andere Menschen aus der Familie oder dem Freundeskreis schon um die Trauernden kümmern werden. Ihr eigenes Engagement ist gefragt, denn um Trauernde wird es schnell einsam. Sie dürfen darauf vertrauen, dass dieser Kontakt mit Trauernden Sie dem Leben ein Stück näherbringen wird.
Beim Umgang mit dem Tod geht es um das Leben! Danke, dass Sie sich für dieses wichtige Thema interessieren.
Diese Website, sowie die Herstellung und Verbreitung der Broschüre und der Postkarten organisieren Sylvia und Andreas Hey als rein private, nicht-kommerzielle Initiative, die zu keiner Zeit mit dem Angebot von professionellen Anbietern von Trauerbegleitung und deren Ausbildungen konkurriert.
Quellenangaben Grafiken:
– OneLineStock.com/adobestock
– Gondex/adobestock
– Kamila Bay/adobestock
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