TOD
den Floskeln
über den
TOD
In den mittlerweile neun Jahren seit dem Tod unseres Sohnes haben sich bei meiner Frau und mir viele Veränderungen ergeben. Stille, innere Änderungen an der Haltung und Einstellung zum eigenen Leben und zum Leben insgesamt. Manches davon ist zwischenzeitlich auch von außen und für andere erkennbar. Zweifellos sind wir stiller und ruhiger geworden – mit und durch das nicht enden wollende Nachdenken.
Manchmal wird diese Stille und Ruhe jedoch unterbrochen und auf eine harte Probe gestellt! Dann ist es mir kaum noch möglich ruhig und geduldig zu bleiben und mich weg-zuhören oder weg-zufühlen! Beim Thema Tod und Trauer sahen und sehen wir uns immer wieder von zahlreichen Floskeln und Phrasen bedrängt.
Phrasen in Phasen der Trauer
Als unser Sohn Max im Alter von 21 Jahren verstarb sahen wir uns unmittelbar danach mit der ersten und wohl bekanntesten Phrase oder Floskel konfrontiert: „es ist das Schlimmste, was Eltern passieren kann“. Ein Satz wie eine Brandschutzmauer, hinter der sich viele versteckt und selbst Schutz gesucht haben. Dabei sind weitere, mögliche Katastrophen jederzeit möglich.
Einige Zeit später kam ein zweiter Satz dazu: „Ihr seid so stark“. Wie wirkt ein solcher Satz in einer Zeit, in der sich ein trauernder Angehöriger mehr als schwach und verletzlich fühlt und nur unter Mühen und großem Aufwand seinen Alltag bewältigen kann. Was bedeutet denn dieser Satz? Was ist damit gemeint und was die Alternative?
Ja, unbenommen, diese Sätze – und viele weitere auch, die hier aus Sorge um meinen Blutdruck nicht weiter vertieft werden – sind mitunter nur Ausdruck der Hilflosigkeit, leider misslungene Versuche Trost zu spenden, nur ungelenke erste Sätze. Sicherlich gibt es einige Mitmenschen, die mir nun wieder Undankbarkeit vorwerfen und meinen, dass ich mich doch freuen sollte über jeden, der überhaupt noch mit mir redet und mir und anderen Trauernden nicht einfach nur aus dem Weg geht. Aber muss ich mir deshalb all dies und auch schlimmere Plattitüden (die ich hier trotz meines Eifers – in dem ich übrigens auch zu Schachtelsätzen neige – verschweigen kann), die gerne – auch mehrmals am Tag -für Trauernde schon einmal wie eine Ohrfeige daher kommen können, ohne Widerspruch gefallen lassen? Nur weil es „gut gemeint“ ist?
Keine Flucht in Floskeln
Wenn ich nicht weiß, was ich sagen soll, dann kann ich z.B. auch sagen, dass ich nicht weiß was ich sagen soll. Und ein hilfreicher Einstieg in ein Gespräch mit einem Trauernden kann eine Frage sein. Doch HALT – eine sehr wichtige Einschränkung: „Wie geht es Dir?“ ist hier wirklich nur die Hälfte einer guten Formulierung und fast schon eine vertane Chance. Diese Frage kann kaum ein Trauernder, der sich im Gedankenchaos auf einer emotionalen Achterbahnfahrt befindet, auch nur ansatzweise beantworten, Ausformuliert kann aus diesem gefährlichen Halbsatz ein wertvolles Gespräch entstehen. „Wie geht es Dir damit, dass……?“, „Wie ist es für Dich, wenn…..?“ Wie verändert sich die Trauer…?“ Es gibt so viele interessante Ansätze für ein Gespräch und Fragen zur Trauer in Verbindung mit Leben, Lachen, Kochen, Lust und Liebe…..Trauen Sie sich! Fühlen Sie sich in die jeweilige Situation hinein. Formulieren Sie eigene Gedanken und Fragen und verzichten Sie auf vorgefertigte Floskeln und öffnen Sie Ihr Herz. Es braucht etwas Mut die eigenen und die Emotionen der Trauernden zuzulassen und damit umzugehen.
Offensichtlich hat dieser Text nun eine therapeutische Wirkung bei mir entfaltet. Danke für Ihre Nachfrage, es geht mir zwischenzeitlich deutlich besser als zu Beginn des Textes. Ich denke beim Schreiben und schreibe beim Denken.
Immer wieder mit gleichen Formulierungen konfrontiert zu sein und immer wieder dagegen anzureden, hat schon etwas kafkaeskes. Oder doch eher von Don Quijote? „Undankbar“ und „hilflos“ trennt hier ein schmaler Grat und mitunter entscheidet die Tagesform in welche Richtung ich taumele.
Sie wissen ja nun, dass ich ein Verfechter der ausformulierten Frage bin:
haben Sie hier eigene Erfahrungen und einen Impuls oder einen Tipp für mich?