In der Arbeit als Sterbe- und Trauerbegleiterin verschmilzt meine Tätigkeit mit meinem eigenen Leben und doch gibt es auch eine für mich wohltuende Grenze zwischen Hospiz-Aufgabe und MEINER Trauer. Das ist auch wichtig, sonst könnte ich Menschen in IHRER Trauer nicht begleiten.
So war die Messe „Leben und Tod“ in Bremen, Weiterbildung und Bereicherung für mein eigenes Seelenleben gleichermaßen. In diesem Jahr standen die Vorträge unter dem Thema „Kinder und Jugendtrauer“, das passte sehr gut, da wir in unserem Ambulanten Hospiz Dienst dafür ein Angebot schaffen möchten.
Gemeinsam mit einigen Kolleginnen hatte ich die Möglichkeit im April, an einer Fortbildung im Schwarzwald zu diesem Thema teilzunehmen.
Die Fachvorträge und Workshops an den Messetagen gaben mir somit viele unterstützende Impulse, für diesen wichtigen Blick auf Kinder und Jugendliche, in einer Trauersituation.
Ja und dann war da auch der andere Teil von mir in diesen Räumen anwesend. Ich, als verwaiste Mutter. Umgeben von all diesen mir unbekannten Menschen, war ich auf wundersame Weise integriert, in einer Art Vertrautheit offener Herzen und bereicherndem Gedankenaustausch. Da durfte ich sein mit meinen ganz persönlichen Gefühlen und mit Max, unserem verstorbenen Sohn. Mich zugehörig wahrzunehmen, ist so unendlich kostbar, da sich dieses Gefühl in meinem Alltagsumfeld kaum oder gar nicht einstellt, einstellen kann. Immer auf der Suche nach meinem neuen Platz, in dieser alles veränderten Lebenswirklichkeit.
Ob ich diesen Platz jemals finden werde – ich weiß es nicht.
Meine Trauer hat mich gelehrt, dass stets Wandlung stattfindet, nichts bleibt starr an einer Stelle. Heute nach nun 7 Jahren, in denen wir ohne Max sein müssen, hilft mir diese Erkenntnis oft. Besonders dann, wenn ich durch ein Wort, ein inneres Bild, einem vertrauten Geruch oder ähnliches, abstürze in das tiefe Tal der Traurigkeit und des Schmerzes. Auch diese Emotionen werden sich wieder wandeln und mich Schritt für Schritt weitergehen lassen, auf meinem neuen Weg.
Begegnungen mit Menschen, die offen über Tod und Sterben sprechen, bei denen ich mich als Trauernde gesehen fühle und gleichzeitig die Fülle des Lebens erfahre, sind Balsam für meine Seele.
Ich wünsche mir jedoch, dass Trauer und deren Auswirkungen überall in der Gesellschaft Teil sein können. Wenn ein Kind geboren wird, gelingt es dem Umfeld leicht sich mit zu freuen. Wenn ein Kind stirbt, verstummt so mancher und macht sich unsichtbar.
In unserem Ambulanten Hospiz Dienst haben wir Postkarten, auf denen folgender Satz steht: „Du kannst dich vor allem drücken – aber nicht vor dem Tod.“
Die Bereitschaft sich mit der eigenen Endlichkeit auseinander zu setzen, die Zuwendung anderen gegenüber, die einen Verlust erfahren, bringt uns – jeden Einzelnen – jedoch auch die Gemeinschaft aller, dem Leben näher!
In meiner nun 12 jährigen Tätigkeit als Sterbe- und Trauerbegleiterin, haben mich viele Menschen vertrauensvoll in ihr Herz schauen lassen. Ich durfte da sein in letzten Wochen, Tagen oder Stunden, in der sicher größten Ausnahmesituation von Familien. Von Sterbenden habe ich unglaublich viel erfahren und lernen dürfen, im Gespräch oder einfach im stillen Dasein. Man muss mit allem rechnen und immer wieder staunen. Dadurch fühle ich eine tiefe Dankbarkeit und Demut, die mich ebenfalls in meiner eigenen Trauer trägt.
Sylvia Hey